Wettbewerb schützen - Dirigismus verhindern: 11. GWB-Novelle stoppen

Datum des Artikels 29.11.2022
Beschluss

Die Wettbewerbspolitik gehört zur wirtschaftspolitischen DNA der CDU. Gegen große Widerstände hat die Union mit ihrem Wirtschaftsminister Ludwig Erhard im Jahr 1957 das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) durchgesetzt. Denn: Kartelle, Monopole und die Vermachtung der Wirtschaft sind ein Bremsklotz für Wachstum und Wohlstand. In einer Zeit großer wirtschaftlicher Herausforderungen war es die Union, die den Weg frei gemacht hat für eine Entfesselung der Marktkräfte. Der Staat als Schiedsrichter ist das Leitbild einer erfolgreichen Ordnungspolitik, die das Fundament unserer Wirtschaftsleistung ist.

Auch in der aktuellen Krise ist Deutschland auf die Entfesslung der Marktkräfte angewiesen. Leider hat die Ampel mit ihrem Referentenentwurf zum „Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsstrukturen und zur Abschöpfung von Vorteilen aus Wettbewerbsverstößen“ (Auch „Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz“ oder 11. GWB-Novelle) die Axt an die Wurzel einer dynamischen Volkswirtschaft gelegt. Vordergründig will die Bundesregierung den Kartellbehörden die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts erleichtern. Dadurch soll mehr Wettbewerb gewährleistet werden. Tatsächlich läuft die 11. GWB-Novelle jedoch darauf hinaus, Wettbewerb nach politischen Vorgaben einzuschränken. Marktteilnehmer aller Unternehmensgrößen, auch KMU, sollen zu marktkonformen Verhalten gezwungen werden können – und zwar ohne das Vorliegen vorwerfbarer tatbestandlicher Handlungen. Also ohne Verstoß gegen das Kartellverbot, die Missbrauchsaufsicht oder die Fusionskontrolle. Was „marktkonform“ ist, sollen die Behörden bestimmen.

Die 11. GWB-Novelle zeugt von dirigistischen wirtschaftspolitischen Vorstellungen, es droht eine Instrumentalisierung des Wettbewerbsrechts als Werkzeug zum politischen Design von Märkten. Damit wirft der Entwurf nicht nur verfassungsrechtliche Fragen auf. In der jetzigen Wirtschaftskrise setzt eine Hinwendung zum Marktdirigismus außerdem falsche wirtschaftliche Anreize. Ungewöhnlich ist auch das Tempo, mit der ein derartig gewaltiger Einschnitt in die marktwirtschaftliche Ordnung vorangetrieben wird. Bei den ersten Anhörungen im Oktober 2022 wurde der Wirtschaft gerade einmal eine Woche Zeit gegeben, um die juristisch komplexe Materie zu beurteilen. Dabei liegt die letzte Anpassung des GWB (10. GWB-Novelle) gerade mal ein Jahr zurück. Außerdem werden die mit dem Referentenentwurf verbundenen Kosten deutlich höher liegen als im Referentenentwurf angenommen. Gerade für den Mittelstand bringt die von der Bundesregierung vorgeschlagene 11. GWB-Novelle unkalkulierbare Risiken mit sich. 

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) fordert:

  • Der Referentenentwurf zur 11. GWB-Novelle darf nicht Gesetz werden. Das Wettbewerbsrecht muss ein verlässliches Instrument der sozialen Marktwirtschaft bleiben, ein Paradigmenwechsel muss verhindert werden.
  • Die Rahmenbedingungen von Sektoruntersuchungen durch Kartellbehörden (Gegenstand, Eröffnung, Informationspflichten, Adressaten, Umfang, Schutz von Betriebsgeheimnissen) müssen gesetzlich präzise und abschließend definiert werden. Der neue § 32e Abs. 3 GWB verpflichtet die Behörde lediglich zur Veröffentlichung der Einleitung einer Untersuchung, § 32 e Abs. 4 GWB zur Veröffentlichung des Abschlussberichts.
  • Sektoruntersuchungen dürfen nicht länger als 12 Monate dauern. Mit 18 Monaten (Sollvorschrift) räumt die 11. GWB-Novelle den Behörden zu viel Zeit ein.
  • Sektoruntersuchungen müssen an wirksame tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft werden. Die Kartellbehörden sollten nur dann in Märkte eingreifen dürfen, wenn Unternehmen gegen geltendes Recht verstoßen haben (Kartellverbot, Missbrauchsregeln, Fusionskontrolle). Bei der Anordnung von Maßnahmen nach einer Sektoruntersuchung wegen einer „erheblichen, andauernden Störung des Wettbewerbs“ muss dem jeweiligen Marktteilnehmer ein wettbewerbsschädliches und rechtswidriges Verhalten vorgeworfen werden können.
  • Vor einer pauschalen Verschärfung des Kartellrechts durch die Einführung einer „neuartigen Generalklausel“ (§ 32f GWB neu) muss eine Marktanalyse aller wichtigen Sektoren, insbesondere des Energiesektors, erfolgen.
  • Der Gesetzgeber ist verpflichtet, rechtliche Rahmenbedingungen von Märkten selbst zu treffen. Regulierung (z.B. Verbraucherschutzregelungen) ist Gegenstand von Fachgesetzen und darf nicht an Kartellbehörden delegiert werden.
  • Die Zerschlagung von Unternehmen als härtestes Sanktionsmittel muss an weitere besondere Voraussetzungen geknüpft werden.
  • Die MIT weist Regelungen ohne besondere Ermessensbindung der Kartellbehörden als mittelstandsfeindlich zurück.
  • Ohne Nachweis eines Verschuldens darf keine Vorteilsabschöpfung von Gewinnen („Über“-, „Sonder“-, „Zufalls“-Gewinne) zu Gunsten der Staatskasse erfolgen. Auch die gesetzliche Vermutung einer bestimmten Höhe eines Gewinnes ist aus rechtsstaatlichen Gründen abzulehnen.
  • Um Anstrengungen für Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei Unternehmen aller Größenordnungen effizient unterstützen zu können, müssen Kooperationsmöglichkeiten für Unternehmen im GWB ausgeweitet werden. Ebenso spricht sich die MIT für eine Vereinfachung bei F&E-Kooperationen im Einklang mit dem europäischen Recht aus.
  • Bei der Fusionskontrolle dürfen KMU nicht benachteiligt werden. Bei anstehenden Zusammenschlüssen von Unternehmen müssen die Schwellenwerte für eine wettbewerbsrechtliche Prüfung und Genehmigung hoch genug sein. Gerade bei Exit-Entscheidungen von Start-Ups oder bei Nachfolgeregelungen  in Familienunternehmen (etwa aus Altersgründen ohne Übergabe an ein Familienmitglied) wird die Suche nach Übernehmern des Geschäftsbetriebes grundlos erschwert.
  • Die Kostenschätzung der Belastung der Wirtschaft durch die 11. GWB-Novelle muss auf der Grundlage realistischer Aufwandsbetrachtungen und mit Einbeziehung der Wirtschaft erfolgen.