Meldung 02. November 2022

Das WifOR-Institut erstellt regelmäßig eine Gesundheitswirtschaftliche Gesamtrechnung. Nun hat es speziell die Rolle der PKV untersucht. Mit beeindruckendem Ergebnis, weiß Instituts-Chef Dennis Ostwald zu berichten.

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Welche Bedeutung hat die Gesundheitsbranche für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Seit über zehn Jahren berechnen wir für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die sogenannte Gesundheitswirtschaftliche Gesamtrechnung. Das Ergebnis ist bemerkenswert: 12,1 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung entsteht durch die Gesundheitsbranche – das sind 365 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung im Jahr 2020. Die Automobilindustrie, die in der breiten Öffentlichkeit immer eine besonders große Rolle spielt, leistet mit 4,4 Prozent einen deutlich kleineren Beitrag zur Wertschöpfung.

Wie wirkt sich das auf den Arbeitsmarkt aus?

Die Bedeutung der Gesundheitswirtschaft für die Beschäftigung hierzulande ist immens: Jeder sechste Arbeitsplatz gehört zur Gesundheitswirtschaft. Das sind mehr als 7 Millionen Menschen. Die Gesundheitsausgaben tragen enorm zu unserem Wohlstand bei. Investitionen in die Gesundheit fördern Wachstum und sichern Beschäftigung.

Können Sie auch beziffern, welchen Beitrag die PKV-Unternehmen für den Wirtschaftsstandort leisten?

Ja, wir haben analog zur Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung auch den ökonomischen Fußabdruck der Privaten Krankenversicherung berechnet. Diese Analyse ist spannend, weil die PKV-Unternehmen mit ihren Beschäftigten und Dienstleistern nicht nur als Wirtschaftsakteur zur Wertschöpfung beitragen. Sondern darüber hinaus auch als Finanzier von Gesundheitsleistungen. Damit summiert sich die ökonomische Bedeutung der PKV auf eine Bruttowertschöpfung von insgesamt 41,9 Milliarden Euro. Fast 750.000 Arbeitsplätze hängen von diesen Investitionen in Deutschland ab.

Welche Auswirkungen hat die Private Krankenversicherung damit auf die Gesamtwirtschaft?

Die Arbeitsproduktivität der Beschäftigten in den PKV-Unternehmen ist sehr hoch. Mit 182.300 Euro pro Person lag die Wertschöpfung 2019 deutlich über anderen hochinnovativen Branchen wie der Kommunikationsbranche. Insgesamt erzielen die PKV-Beschäftigten 2,7 Milliarden Euro an direkter Wertschöpfung. Unsere Studie zeigt zudem, dass die Private Krankenversicherung besonders stark auf die ganze Wirtschaft abstrahlt. Zusammen mit den indirekten und induzierten Effekten, zum Beispiel durch den Einkauf von Dienstleistungen oder den Privatkonsum aus den Gehältern der Mitarbeiter, summiert sich die Wertschöpfung auf 7,7 Milliarden Euro. Jeder Euro Wertschöpfung in der PKV bringt zusätzliche 1,90 Euro in der Gesamtwirtschaft. Das übertrifft zum Beispiel die Branche der Medizintechnik, die 1,10 Euro erreicht.

Und welche Rolle spielen die PKV-Unternehmen für die Beschäftigung?

Die PKV-Unternehmen sind ein Jobmotor: Ihre direkten, indirekten und induzierten Beschäftigungseffekte summieren sich auf 90.000 Arbeitsplätze. Somit gehen aufgrund der starken ökonomischen Verflechtung der PKV mit jedem Arbeitsplatz in PKV-Unternehmen weitere fünf Arbeitsplätz in der Gesamtwirtschaft einher.

Welche ökonomische Bedeutung haben denn die ausgezahlten Versicherungsleistungen?

Neben den medizinischen Behandlungskosten wird zusätzliche Wertschöpfung durch Betriebskosten und Mitarbeitergehälter der medizinischen Einrichtungen sowie durch den privaten Konsum der Honorare und Gehälter ausgelöst. Mit jedem Euro Gesundheitsausgaben der PKV sind so 1,10 Euro Wertschöpfung in der Gesamtwirtschaft verbunden – insgesamt beträgt das Volumen ungefähr 34,2 Milliarden Euro. Unsere Berechnungen haben außerdem ergeben, dass mit je 47.000 Euro PKV-finanzierter Gesundheitsausgaben in der Gesamtwirtschaft ein zusätzlicher Arbeitsplatz einhergeht. Das sind ungefähr 660.000 Arbeitsplätze, die durch Finanzierung von Gesundheitsleistungen der PKV in Deutschland gesichert werden.

„Unsere Studie zeigt, dass die Privatversicherten eine wichtige Finanzierungsquelle für die Ausstattung der Praxen und Krankenhäuser und damit für die medizinische Versorgung in Deutschland insgesamt sind.“

Privatversicherte zahlen für viele medizinische Leistungen höhere Honorare. Was bringt dieser Effekt für die Gesundheitswirtschaft?

Dieser so genannte Mehrumsatz der Privatversicherten entsteht, weil es für die Behandlung von Privatpatienten weniger Beschränkungen und meist höhere Honorare gibt als bei Kassenpatienten. Im Jahr 2019 betrug dieser Wert rund 12 Milliarden Euro. Unsere Studie zeigt, dass die Privatversicherten damit eine wichtige Finanzierungsquelle für die Ausstattung der Praxen und Krankenhäuser und damit für die medizinische Versorgung insgesamt sind. In der Gesamtwirtschaft wurde durch die Mehrumsätze insgesamt eine Bruttowertschöpfung in Höhe von 14,9 Milliarden Euro ausgelöst. In Summe gehen damit 325.280 Arbeitsplätze einher – ein Großteil in der Gesundheitswirtschaft.

Welche Lehre sollte die Politik aus den positiven Ausstrahleffekten der PKV auf die Wirtschaft ziehen?

Es ist wichtig, dass wir Gesundheit als Investition verstehen. Wenn wir geschickt und smart investieren, können wir Ineffizienzen im Gesundheitssystem beheben und tatsächlichen Mehrwert für die Versicherten schaffen. Deutschland könnte sehr davon profitieren, wenn bei politischen Entscheidungen im Gesundheitssystem zukünftig die ökonomische Bedeutung, sei es im Versicherungsbereich, bei den Krankenhäusern oder auch im Pharma- und Medizintechnik- Bereich, berücksichtigt wird und in die Entscheidungsfindung einfließt.

Das Interview stammt aus dem PKV-Rechenschaftsbericht 2021/22. Der Fokus liegt dieses Jahr auf der Frage, wie die Kranken- und Pflegeversicherung angesichts der alternden Gesellschaft zukunftssicher gestaltet werden kann. Sie können die Publikation hier lesen oder herunterladen.