So lässt die Ampel Eigenheim-Träume platzen

Datum des Artikels 04.05.2022
MittelstandsMagazin

Die Bundesregierung hat die Förderung energiesparender Neubauten eingestampft. Damit lässt die Ampel zigtausende Familien und die Bauwirtschaft im Regen stehen – und erweist dem Klimaschutz einen Bärendienst.


Für zahllose bauwillige Bürger spielt sich seit Jahresbeginn ein Drama ab. Im Januar schockte das Klimaministerium von Robert Habeck (Grüne) mit der Nachricht, die KfW-Förderprogramme für energieeffiziente Gebäude zu stoppen. „Mit sofortiger Wirkung“ werde die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) gestoppt, teilte das Ministerium mit. Die Neubauförderung für den Effizienzhaus-55-Standard (EH55) werde endgültig eingestellt. „Die enorme Antragsflut“, so die Erklärung, habe die bereitgestellten Mittel deutlich überstiegen. Mit Blick auf den Haushalt habe die staatliche Förderbank KfW das Programm daher stoppen müssen.

Neben dem EH55 im Neubau galt der Antragsstopp auch für das EH40 im Neubau sowie für die energetische Sanierung. Über die Zukunft der EH40-Neubauten wolle das Ministerium zügig entscheiden. Die Förderung für energetische Sanierungen solle wieder aufgenommen werden, sobald entsprechende Haushaltsmittel bereitgestellt sind.

Handwerk kritisiert „Nacht- und Nebelaktion“

Besonders fatal: Der EH55-Förderstopp wurde unvermittelt auf den 24. Januar vorgezogen. Dabei sollte das Programm ursprünglich erst am 31. Januar auslaufen. Somit guckten Tausende Bauwillige, die noch in den letzten Tagen Anträge einreichen wollten, in die Röhre. Keine andere Entscheidung der Ampel löste bis dahin ein so großes Entsetzen in der Bevölkerung aus.

Entsprechend scharf war die Kritik: „Die sofortige Einstellung der KfW-Klimaschutzförderungen durch den neuen Klimaschutz- und Wirtschaftsminister ist den Klimaschutzzielen abträglich und geradezu widersinnig“, beklagte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, den Förderstopp. „Unverständlich und nicht akzeptabel ist, dass in einer derartigen Nacht- und Nebelaktion Finanzierungsplanungen über den Haufen geworfen werden für Projekte, die vielfach sogar bereits beschieden sind.“ Mit dem Stopp sämtlicher energiewirtschaftlicher KfW-Programme drohe die neue Bundesregierung, energieeffizientes Bauen auszubremsen.

Ampelkoalition verspielt Vertrauen

Die MIT-Bundesvorsitzende Gitta Connemann sprach von einem „schwarzen Tag für Familien, Häuslebauer und das Bauhandwerk“. Dass Kalkulationen von einem Tag auf den anderen zusammenbrechen würden, sei „ein Desaster für Klima, Familien und Mittelstand.“ Denn viele Familien könnten sich den Traum vom bezahlbaren Eigenheim nur erfüllen, wenn sie Gebäude sanieren und Energiekosten einsparen. „Dabei kommt es auf jeden Cent an – auch wegen immer höherer Baustoffpreise“, sagte Connemann. „Darüber hinaus erweist Minister Robert Habeck dem Klima einen Bärendienst, wenn er ausgerechnet beim klimaneutralen Bauen den Rotstift ansetzt.“

CDU-Chef Friedrich Merz monierte: „Viele Betroffene können jetzt nicht bauen und bleiben stattdessen auf den Planungs- und Vorbereitungskosten sitzen.“ Bei vielen mittelständischen Unternehmen würden die Aufträge storniert. „So verspielt Politik Vertrauen.“ Kritik kam ebenso von Verbraucherschützern und aus der eigenen Koalition. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) kündigt an, „so schnell es geht Klarheit“ schaffen zu wollen.

Deutlich schlechtere Konditionen

Die Protestwelle zeigte Wirkung: Nur eine Woche nach dem Förderstopp folgte die Kehrtwende der Koalition. Anträge, die vor der Notbremse am 24. Januar gestellt wurden, wurden noch nach den alten Kriterien bearbeitet. Allerdings gingen die Hausbauer leer aus, die in der letzten Januarwoche noch einen Förderantrag stellen wollten. 

Anfang April gab Minister Habeck schließlich bekannt, dass die Förderung für EH40-Neubauten wieder aufgenommen werde – allerdings zu deutlich schlechteren Konditionen. Die Fördersätze werden halbiert und die Anforderungen erhöht. Das Ministerium begründete dies damit, dass möglichst viele Antragsteller eine Förderung erhalten sollen. „Während die Preise überall explodieren, halbiert die Ampel die Förderung für das Eigenheim. Das ist der zweite Schlag für Familien und Bauherren nach dem Vertrauensbruch im Februar“, kritisierte MIT-Chefin Connemann.

Debakel mit Ansage

Konkret heißt das am Beispiel EH-40: Wer bisher einen Förderkredit von maximal 150.000 Euro beantragen und mit einem Tilgungszuschuss von maximal 30.000 Euro rechnen konnte, wird künftig mit maximal 15.000 Euro gefördert. „Der Traum von Eigenheim – für viele ist er jetzt endgültig geplatzt. Es ist schwer zu begreifen, wieso die Ampel-Regierung Familien und Bauherren bei der dringend notwendigen Eigentumsbildung derart den Weg verbaut“, so Connemann. Es sei daher zu erwarten, dass die Fördermittel schnell ausgeschöpft seien.

„Es ist schwer zu begreifen, wieso die Ampel-Regierung Familien und Bauherren bei der dringend notwendigen Eigentumsbildung derart den Weg verbaut.“ Gitta Connemann

So kam es dann auch: Nur wenige Stunden nach dem Neustart am 20. April war der auf eine Milliarde Euro gedeckelte Fördertopf bereits ausgeschöpft. Die Nachfrage war so hoch, dass noch am gleichen Tag erneut ein Antragsstopp verhängt werden musste. Zwar hatte auch Habecks Ministerium mit einer hohen Nachfrage gerechnet. Dass die Mittel aber so schnell erschöpft waren, war dem Vernehmen nach nicht erwartet worden.

Wie geht es weiter?

Die gestoppte EH40-Förderung war die erste Stufe in einem neuen Konzept des Wirtschaftsministeriums. Die zweite Stufe sieht anspruchsvollere Konditionen bei der Neubauförderung im Programm „EH40-Nachhaltigkeit“ vor. Das Programm ermöglicht eine Neubauförderung nur noch in Kombination mit dem Qualitätssiegel „Nachhaltiges Gebäude“. Damit solle „ein klares Signal für die Neuausrichtung hin zu nachhaltigem Bauen gesetzt“ werden, so das Ministerium. Das Programm läuft bis Ende des Jahres. Von Januar 2023 ist dann eine dritte Stufe geplant. Das Programm „Klimafreundliches Bauen“ soll die Treibhausgas-Emissionen der Gebäude stärker in den Fokus stellen. Die genaue Ausgestaltung wird steht noch aus.

Ob die neue Förderpolitik den Wohnungsbau in Deutschland voranbringen kann, ist fraglich. Nach Berechnungen des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie könnten Neubauten im EH55-Standard ohne die Förderung um rund zehn Prozent teurer werden. Kalt-Mieten von Häusern, denen die Zulage gestrichen wurde, könnten um durchschnittlich 1,50 Euro pro Quadratmeter steigen.

Die MIT und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion forderten die Regierung zu mehr Verlässlichkeit für Bauwillige auf. „Gerade jetzt müsste die Ampel die Förderung mit höchster Priorität voranbringen“, sagte der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Andreas Jung. „Doch nachdem das Vertrauen der Menschen durch den abrupten KfW-Förderstopp schon beschädigt wurde, werden sie jetzt wieder enttäuscht.“

Dieser Artikel erschien im Mittelstandsmagazin, Ausgabe 2-22.