MIT Lingen: Brauchen wir ARD und ZDF? Wie sieht die Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks aus?

Datum des Artikels 08.09.2021
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Die Katholisch-Soziale Akademie Ludwig-Windthorst-Haus (LWH) und die MIT KV Lingen hatten am 8. September 2021 zu einem Akademieabend eingeladen. Gastreferent war Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Prof. Dr. Haucap: "Transparenz erzeugt Reformdruck" - Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk in Deutschland ist reformbedürftig. Das ist der Tenor des Vortrags von Prof. Dr. Justus Haucap, der jetzt beim Akademieabend des Ludwig-Windthorst-Haus (LWH) sprach. Die Veranstaltung fand statt mit Unterstützung des Kreisverbands Lingen der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT). „Ich glaube, wir brauchen keine 21 zwangsfinanzierten Fernsehsender in Deutschland. Stattdessen wäre eine finanzielle Förderung von Sendekonzepten sinnvoll“, sagt Haucap, der von der FAZ regelmäßig zu den 30 einflussreichsten Ökonomen in Deutschland gezählt wird. Finanziert werden soll die Förderung aus einer Stiftung, in die die Privatisierungserlöse der bisherigen Öffentlich-Rechtlichen Sender fließen sollen. Haucap selbst bezeichnet diese Lösung als „radikal“ und schätzt die Umsetzung selbst als eher unrealistisch ein. Daher stellte er alternativ einen Forderungskatalog auf. Ganz oben auf der Liste steht der Vorschlag einer Evaluation der Öffentlich-Rechtlichen Sender, die alle sieben Jahre stattfinden soll: „Transparenz erzeugt Reformdruck“, begründet der Wirtschaftswissenschaftler von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Weitere Forderungen sind der komplette Verzicht auf Werbung, eine Reduzierung des Rundfunkbeitrags und die Konzentration auf eine Fernsehsendeanstalt: „Die Zusammenlegung von ARD und ZDF mit regional verteilten Fachredaktionen ist etwas, worüber ich gerne weiter diskutieren würde“, so Haucap. Er begründet seine Vorschläge damit, dass die bei der Einführung des Fernsehens realistisch vorhandenen Gefahren des Marktversagens, heute in dieser Form nicht mehr gegeben seien: „Bei der Erfindung des Fernsehens waren die Frequenzen sehr begrenzt. Wären diese von rein privaten Anbietern besetzt worden, hätte die Gefahr einer Monopolisierung bestanden, die die Meinungsvielfalt nicht repräsentiert.“ Dieses Argument sei jedoch mittlerweile angesichts der Vielfalt in der TV-Sender-Landschaft irrelevant. Der Ökonom kann allerdings dem Argument, dass Information ein Vertrauensgut sei, das unabhängig von möglichen Einflüssen von Werbekunden und Eigentümern bleiben müsse, etwas abgewinnen. Insofern plädiert er aber für den Verzicht auf Werbung im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk insgesamt, wie es beispielsweise auch die britische BBC handhabe.In der anschließenden Diskussion wurden insbesondere die Neutralitätsverantwortung, die Finanzierung und die interne Organisation des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks diskutiert. LWH-Akademiedirektor Marcel Speker regte an, über die Kontrollstrukturen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks nachzudenken. Es gebe parallele Strukturen für ÖRR und private Rundfunkanbieter. Auch hier könne man über eine sinnvolle Zusammenlegung und Angleichung der Kontrollmechanismen nachdenken. MIT-Kreisvorsitzender Wolfgang Paus dankte Prof. Dr. Haucap, dass er für die Diskussion ins Emsland gekommen ist und seine Thesen zur Modernisierung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks vorgestellt habe.
Bildunterschrift: Prof. Dr. Justus Haucap (rechts), Akademieleiter Marcel Speker (links)