Verwaltung und Behörden mit Digitalministerium modernisieren

Datum des Artikels 04.09.2021
Beschluss

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) begrüßt es, dass im gemeinsamen Regierungsprogramm von CDU und CSU Pläne für ein Digitalministerium stehen. Ein solches Ministerium ist aus Sicht der MIT notwendig, um die digitale Transformation Deutschlands voranzutreiben. Deutschland hat in Sachen Digitalisierung vieles verschlafen. Um diesen Rückstand aufzuholen, muss das Digitalministerium jedoch mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet werden - ansonsten bleibt es bei reiner Symbolpolitik. Insbesondere soll das Digitalministerium beim Online-Zugangsgesetz (OZG) die Federführung übernehmen und mit den dazu erforderlichen Kompetenzen ausgestattet werden. Damit muss auch die Weiterentwicklung des OZG zu einem Onlinegesetz einhergehen, sodass künftig Frontend und Backend von Verwaltungsleistungen gleichermaßen betrachtet werden. Notwendige gesetzgeberische Anpassungen hin zu einer digitalen Verwaltung werden vom Digitalministerium zusammen mit den Fachressorts umgesetzt.

MIT-Forderungen für das Digitalministerium:
1. Ministerium und neue Arbeitskultur
Die MIT fordert die Schaffung eines neuen Ministeriums, indem, unter Beachtung der jeweiligen fachlichen Zuständigkeit der Ressorts, Digitalthemen gebündelt werden. Das Digitalministerium muss alle Digitalinitiativen des Bundes effektiv und integriert koordinieren - ohne dass die anderen Ressorts ihre Digitalisierungsbemühungen einstellen. Deshalb braucht es die Federführung bei digitalpolitischen Kernprojekten sowie echte Koordinierungsrechte gegenüber anderen Ressorts. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Digitalisierungsbemühungen der Bundesregierung auf ein gemeinsames Leitbild einzahlen und Digitalpolitik aus einem Guss gemacht wird. Am Beispiel der Corona-Warnapp sähe das so aus: Das Bundesgesundheitsministerium wäre weiterhin dafür zuständig, die Anforderungen für die App - wie Datenschutz oder Funktionen - zu definieren.  Das Anforderungsmanagement bleibt bei den bisherigen Ressorts, die Umsetzung dieser Anforderungen fällt aber an das Digitalministerium.

Das Digitalministerium soll die strategische und operative Verantwortung für alle Digitalisierungsprojekte des Bundes haben. Auch muss es Vorbildcharakter für modernes, digitales Arbeiten in Verwaltung und Behörden haben. Ein signifikanter Teil der Mitarbeiter im Digitalministerium sollte aus Verwaltungsprofis bestehen. Diese Mitarbeiter sollen aus jenen Abteilungen der Ministerien kommen, die bislang in den jeweiligen Ressorts mit Digitalisierung betraut sind. Heterogene Organisationseinheiten, Kompetenzen und Haushaltsmittel sollten aus anderen Ressorts im Digitalministerium zusammengeführt werden.  Ein zusätzlicher Teil der Mitarbeiter soll aber von außen kommen (beispielsweise aus Startups oder anderen Gebieten der freien Wirtschaft). Diese Mitarbeiter sollen eine neue und frische Perspektive auf das Thema modernes, projektbezogenes Arbeiten, IT und Digitalisierung mitbringen. Außerdem sollen Experten oder Verwaltungs- und Behördenmitarbeiter aus Ländern, Kommunen und der Digitalwirtschaft für eine bestimmte Zeit im Digitalministerium arbeiten können. So soll das Digitalministerium zu einer Kaderschmiede für modernes Arbeiten in der Verwaltung werden. Auch sollen im Digitalministerium neue Arbeitsweisen erprobt werden. Die Geschäftsordnung der Bundesregierung setzt nicht voraus, dass Arbeit nur in Referaten und Abteilungen organisiert werden darf. Deswegen soll das Digitalministerium verstärkt in agil arbeitenden, projektbezogenen Arbeitsgruppen organisiert sein.  Das Digitalministerium soll nicht die Arbeitsweise aller Ministerin regeln, aber einen Rahmen und eine Standardarchitektur für modernes Arbeiten bereitstellen, an der sich andere Ministerien bei ressortübergreifendem Arbeiten orientieren sollen. Zudem soll das Digitalministerium, stärker als Behörden und Ministerien es bislang tun, projektbezogen arbeiten. Diese Projekte dürfen ausdrücklich extern vergeben  werden oder dürfen auch durch Mitarbeiter des Ministeriums in Arbeitnehmerverhältnissen durchgeführt werden. Wenn das Digitalministerium in der Lage sein soll, Projekte anzustoßen, brauchen seine Beschäftigten zudem ein Budgetrecht. In den letzten 30 Jahren gab es in der Verwaltung die Tendenz, mehr und mehr Entscheidungen auf die politische Ebene zu heben. Die MIT fordert, Entscheidungskompetenzen verstärkt an Beamte und Angestellte zurückzugeben um Arbeits- und Entscheidungsprozesse zu beschleunigen.

2. Zentrale Kompetenzen, Shared Services und Vetorecht bei Digitalprojekten
Das Digitalministerium soll eine Shared-Service-Zentrale für Verwaltungsdienstleistungen sein. Andere Behörden und Verwaltungseinrichtungen können diese Dienstleistungen nutzen, anstatt sie selbst zu beauftragen und zu implementieren. Das Digitalministerium sollte im Sinne des Dienstleistungsgedanken IT-Lösungen schaffen, die von den Ländern übernommen und implementiert werden können. Gleichzeitig können andere Behörden Auftraggeber für IT-Lösungen sein, die dann vom Digitalministerium in Zusammenarbeit mit dem Informationstechnikzentrum des Bundes (ITZ) für die Behörden ausgeführt werden. Auch braucht das Digitalministerium, mindestens auf Bundesebene, ein Vetorecht bei allen IT- und Digitalisierungsprojekten anderer Ministerien und Behörden des Bundes (nicht für Gesetzentwürfe, nur für Digitalisierungsprojekte) – zumindest so lange nachweisbar ist, dass es für das jeweilige Projekt keinen Sonderweg braucht. Die Berechtigung von Ausnahmen sollte jährlich überprüft werden. Deswegen braucht das Ministerium die notwendigen Kompetenzen, um Standards für alle Ressorts vorzugeben. Außerdem müssen Kompetenzen der anderen Häuser in das Digitalministerium überführt werden, z.B. der Bereich der Cybersicherheit aus dem BMI oder der des Netzausbaus aus dem Verkehrsministerium. Es muss die Kompetenzen für die Kernbereiche der Digitalisierung erhalten, also insb. Verwaltungsdigitalisierung & E-Government, IT-Konsolidierung und Betrieb, Telekommunikation & Breitbandausbau, digitale Arbeitswelt, Internet Governance sowie digitale Bildung und Datenpolitik & Plattformwirtschaft.
Wo es Schnittmengen zwischen Digitalpolitik und anderen Feldern, etwa der Wirtschaftspolitik gibt, sollte dies, ähnlich wie beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, in die Zuständigkeit des Digitalministeriums fallen. Auch braucht das Digitalministerium ein Initiativrecht für Projekte, die gegebenenfalls auch andere Häuser betreffen, mit entsprechendem Budget. Das Digitalministerium sollte bei allen Budgetfragen für Digitalisierungsvorgaben eingebunden sein und Finanzmittel für Digitalisierungs-Projekte letztinstanzlich freigeben.

3. Prüfauftrag
Das Digitalministerium soll einen Prüfauftrag erhalten. Dieser Prüfauftrag soll klären, wie die Zusammenarbeit in Sachen Digitalisierung zwischen Kommunen, Kreisen, Ländern und dem Bund verbessert und reformiert werden kann, ohne die föderale Struktur der Bundesrepublik grundlegend in Frage zu stellen. Nicht erst die Corona-Krise oder die Hochwasserkatastrophe haben gezeigt, dass die Zusammenarbeit überdacht werden muss, da kleinere Gebietskörperschaften nicht in der Lage sind, komplexe Verwaltungsverfahren zu digitalisieren. Die Anbindung aller Gesundheitsämter an ein einheitliches Austauschsystem SORMAS war ein langer und mühsamer - weiterhin andauernder - Prozess, der eine effektive Corona-Pandemiebekämpfung massiv erschwert hat. Auch soll geprüft werden, wie das Datenschutzrecht und die Barrierefreiheit in allen Ländern standardisiert werden können. Aktuell gelten in allen Bundesländern verschiedene Regeln, was weder im Sinne der Bürger noch der Unternehmen ist. Insbesondere die Fragmentierung mit sechzehn Landesdatenschutzbeauftragten sowie einem Bundesdatenschutzbeauftragten ist für die Unternehmen eine starke Belastung - wir brauchen hier eine zentrale Auslegung mit einheitlichen Strukturen

4. Online-Zugangsgesetz umsetzen und einheitliche IT-Infrastruktur implementieren
Das Digitalministerium soll damit beauftragt werden, die Vorgaben des Online-Zugangsgesetztes umzusetzen und mit den dazu erforderlichen Kompetenzen ausgestattet werden. Außerdem soll das Ministerium die Standardisierung der gesamten Bundesverwaltung gewährleisten. Dazu muss die gesamte Bundesverwaltung einheitlich auf geschütztes Cloud Computing als einheitliche, gegen Cyberattacken gesicherte, IT-Infrastruktur umgestellt werden.

Das Digitalministerium betreibt nur wichtige elementare Basiskomponenten, die als hoheitliche Aufgaben zu verstehen sind (z.B. Postfach, Idenditätsmanagement), dauerhaft selbst (ggf. mit Hilfe externer Dienstleister) und stellt diese inklusive Support und Beratung kostenfrei zur Nutzung den Ländern und allen Kommunen zur Verfügung. Diese Infrastruktur bildet das Rückgrat einer kontinuierlich wachsenden, föderalen Infrastruktur. Das Digitalministerium macht ein Angebot an die Wirtschaft, sich zu akzeptablen Konditionen ebenfalls an die Basiskomponenten Identitätsmanagement und Postfach anschließen zu dürfen. Für die Leistungen des OZG für die Wirtschaft kann durch Wirtschaftsverbände ein eigener Leistungskatalog aufgebaut und betrieben werden, der mit den Verwaltungsleistungen bilateral verlinkt werden kann. Praxisbeispiel: Wenn eine Autovermietung einen Neukunden aufnimmt, muss sie bei der Verwaltung erst abfragen, ob der Kunde überhaupt einen Führerschein hat. Dadurch wird die Anmeldung verzögert. Künftig soll es Schnittstellen geben, mit denen die Wirtschaft an die Verwaltung – unter Einhaltung des Datenschutzes – andocken kann, um solche Verfahren zu beschleunigen.

5. Internationale Vernetzung etablieren
Deutschlands Mittelmaß bei der Digitalisierung ist nicht naturgegeben. Andere Staaten machen vor, wie erfolgreiche Digitalpolitik ausgestaltet sein sollte. Zu den besonders erfolgreichen Ländern mit eigenem Digitalministerium zählt beispielsweise Norwegen, aber auch das Vereinigte Königreich schneidet im internationalen Vergleich besser ab. Deutschland sollte gezielt über den Tellerrand schauen und sich mit erfolgreichen Akteuren vernetzen.