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Streit wegen grüner Tinte CDU, Grüne und Linke attackieren Scholz wegen Cum-Ex-Affäre

Neue Indizien im Cum-Ex-Skandal um die Warburg-Bank sorgen bundespolitisch für Wirbel. Mehrere Parteien nutzen die Affäre zum Angriff auf SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.
Unter Beschuss: Finanzminister Scholz (l.) mit dem Hamburger Bürgermeister Tschentscher

Unter Beschuss: Finanzminister Scholz (l.) mit dem Hamburger Bürgermeister Tschentscher

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Sean Gallup/ Getty Images

In der Steueraffäre um die Hamburger Bank M.M. Warburg müssen sich Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (beide SPD) erneut gegen politische Attacken wehren. Auslöser sind neue Indizien, die darauf hindeuten, dass Tschentscher in seiner Zeit als Hamburger Finanzsenator in den Steuerfall Warburg eingegriffen haben könnte.

Am Freitag hatten SPIEGEL und manager magazin die Recherchen zu dem Fall veröffentlicht, der auch in einem Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft behandelt wird.

Es geht dabei um ein mutmaßliches Geschenk der Stadt Hamburg an Warburg, auf Kosten der Steuerzahler. Die alteingesessene Bank hatte sich mit dubiosen Aktiendeals, sogenannten Cum-Ex-Geschäften, über Jahre Steuergutschriften verschafft – zu Unrecht, wie inzwischen klar ist.

Im Jahr 2016 wollte das Finanzamt für Großunternehmen deshalb Steuern von Warburg zurückfordern, darunter allein 47 Millionen Euro aus Gutschriften für 2009. Falls man auf 2009 verzichte, werde die Sache zum Jahresende verjähren, so das Amt. Die Finanzbehörde, deren Chef Tschentscher damals war, verweigerte allerdings zunächst die Zustimmung.

Die beiden Eigner der Bank, Christian Olearius und Max Warburg, trafen sich mit dem damaligen Bürgermeister Scholz im Rathaus, um die Rückforderungen zu verhindern und schickten auch eine sieben Seiten lange Verteidigungsschrift an Tschentscher, der das Schreiben fünf Tage später an seine Mitarbeiter weitergab, versehen mit Bemerkungen in Grün, der Farbe des Senators, auf der ersten Seite: »Bitte um Informationen zum Sachstand.«

Aktuell geht es nun darum, dass auch auf den folgenden Seiten wenige weitere Passagen unterstrichen sind, allerdings in einem anderen Grünton. Darunter die Wörter »Sachverhalt noch nicht ausermittelt«, »Rücknahme« und »Existenzgefährdung«. Wer hat diese zentralen Argumente der Bank unterstrichen und warum?

Kurz nach Weitergabe des Schreibens entschieden Finanzbehörde und Finanzamt jedenfalls bei einem Treffen, dass das Geld doch nicht zurückgefordert werden sollte. Mittlerweile ist es trotzdem überwiesen – dank eines Urteils des Bundesgerichtshofs waren die Verjährungsfristen hinfällig. Scholz und Tschentscher betonen stets, sie hätten keinen Einfluss auf Entscheidungen des zuständigen Finanzamts genommen.

CDU wittert »handfesten Betrugsskandal«

Angesichts der Verwicklung von Kanzlerkandidat Scholz in die Affäre nutzen die politischen Konkurrenten von CDU, Grünen und Linken die neuen Indizien nun zu einem Angriff auf den SPD-Kanzlerkandidaten.

»Wenn es stimmen sollte, dass Olaf Scholz politischen Einfluss auf die Hamburger Finanzbehörde genommen hat, wäre das ein handfester Betrugsskandal«, sagte Carsten Linnemann, Chef der Mittelstandsunion MIT und Vizechef der Unionsbundestagsfraktion (CDU), dem SPIEGEL. »Es wäre schon eine interessante Konstellation, wenn er auf der einen Seite Steuererhöhungen fordert und auf der anderen Seite viele, viele Millionen an Steuergeldern nicht zurückfordert. Ein solches Vorgehen verträgt sich mit keinem Regierungsamt.«

Auch die Linke griff Scholz und Tschentscher an. »Die grüne Tinte ist getrocknet. Die Indizienkette ist wasserdicht«, twitterte Finanzexperte Fabio De Masi. Scholz und Tschentscher »sollten aufhören, sich zu winden«, so De Masi. »Cum-Ex war kriminell. Es wurde in ein laufendes Steuerverfahren zugunsten von Straftätern eingegriffen. Dies ist ein Fall für die Staatsanwaltschaft!«

Die neuen Veröffentlichungen zeigten, »dass das entscheidende Schreiben (Drohbrief) der #WarburgBank  nicht nur einfach an das Finanzamt weitergeleitet wurde, sondern mit Kommentaren von oberster politischer Ebene versehen wurde«, schrieb die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lisa Paus, auf Twitter. Dies widerspreche auch der Version von Olaf Scholz, »der immer öffentlich beteuert hat, dass Finanzamt habe in diesem Fall völlig unabhängig entschieden«.

Scholz-Vertrauter sieht »Lügen- und Schmutzkampagne«

Das Lager von Scholz und Tschentscher wehrt sich indes weiter gegen die Vorwürfe. »Wie verzweifelt seid Ihr eigentlich?«, antwortete Scholz' Staatssekretär im Finanzministerium, Wolfgang Schmidt, der Grünenpolitikerin Paus – und bezeichnete die Vorwürfe als »Lügen- und Schmutzkampagne«.

Auch die Hamburger Finanzbehörde weist den Verdacht der politischen Einflussnahme zurück. »Die Unterstreichungen im angesprochenen Dokument wurden nicht durch den ehemaligen Finanzsenator vorgenommen, sondern von der damals zuständigen Sachbearbeiterin der Steuerverwaltung«, heißt es in einem Statement vom Freitag . Laut Geschäftsordnung der Finanzbehörde sei der grüne Stift im Geschäftsgang zwar dem Senator als Behördenleitung vorbehalten. »Demgegenüber gibt es für Markierungen mit Textmarkern, wie in diesem Falle, keine Regelung.«

Tatsächlich sagte am Freitag eine Zeugin im Untersuchungsausschuss aus, nicht Tschentscher, sondern sie habe die fraglichen Passagen unterstrichen – mit einem grünen Textmarker.

stk/flo