Verbrenner-Talk bei „Anne Will“: Ampel-Zoff ums Auto

Bei „Anne Will“ diskutierten die Gäste unter anderem über Öl- und Gasheizungen

Bei „Anne Will“ diskutierten die Gäste unter anderem über Öl- und Gasheizungen

Foto: NDR/Wolfgang Borrs
Von: Josef Nyary

Normale Autos heißen inzwischen „Verbrenner“, da geht dann auch die Freude am Fahren planmäßig in Rauch auf. Anne Will fragt: „Verbot von Öl- und Gasheizungen, Aus für den Verbrenner – ist das wirklich durchdacht?“ Karl Valentin hätte gesagt: „Durchdacht schon, aber halt wie!“

Die Gäste

▶ ︎Omid Nouripour (47, Grüne). Der Parteichef schimpft auf die „Verbrenner-Blockade“ der FDP.

▶︎ Christian Dürr (45, FDP). Der Fraktionschef kontert: „Das Verbrenner-Aus ist klimaschädlich“, denn es nehme die Chance auf einen raschen Hochlauf der neuen Technologie.

▶︎ Stephan Weil (64, SPD). Niedersachsens Ministerpräsident drückt das Gaspedal durch: Deutschlands Ansehen in Brüssel sei „durch dieses plötzliche Manöver (der FDP) beschädigt“. Da quietschen die Reifen!

▶︎ Gitta Connemann (58, CDU). Die Mittelstandschefin leitet eine Vollbremsung ein: „Ein Verbrennerverbot ist gegen alle Vernunft – ökologisch und ökonomisch!“

▶︎ Henrike Roßbach (43). Die Journalistin („SZ“) prangert an, dass der Staat die klimafreundliche Option der E-Fuels „schon Jahrzehnte voraus vom Tisch wischt“, obwohl „man noch gar nicht wissen kann, wie die Dinge sich entwickeln.“

Das altvertraute ARD-Strickmuster: Drei links, eine rechts, einen fallen lassen. Das Zoff-o-Meter sammelt Punkte für den nächsten Unfairness-Preis.

Komplette Kapitulation

Der Grüne-Chef hat inzwischen gemerkt, dass die Position seines Wirtschaftsministers gegen Öl- und Gasheizungen nicht mehr ohne Schaden für die Partei haltbar ist, und dreht flugs einen Salto: „Wir sind ja am Anfang der Beratungen“, behauptet er plötzlich mit unschuldig ausgebreiteten Händen. „Wir haben uns Ziele gesetzt …“

Grünen-Chef Omid Nouripour

Grünen-Chef Omid Nouripour

Foto: NDR/Wolfgang Borrs

„Was heißt ‚Ziele gesetzt‘?“, wundert sich Will. „Sie haben einen Gesetzesentwurf vorgelegt!“

„Es ist richtig so, dass man darüber reden muss“, versucht sich Nouripour rauszuschummeln. „Die Leute können weiterhin auch auf verschiedene Art und Weise heizen.“ Zur Sicherheit nimmt er über die SPD-Bauministerin gleich noch die Kanzlerpartei in Mithaftung: „Der Entwurf ist ja von Herrn Habeck und Frau Geywitz.“ Nachtigall …

Wichtigstes Wort

Der FDP-Fraktionschef stellt ein großes Stoppschild an die Rückzugsstraße: In Habecks Entwurf steht, dass ab dem 1. Januar 2024 „möglichst“ jede neu eingebaute Heizung mit Erneuerbaren Energien betrieben werden soll.

„Hieß ‚möglichst‘ in Ihrem Verständnis immer ‚kommt ja sowieso nicht?‘“, fragt die Talkmasterin spitz.

Da stehe auch noch „65 Prozent Erneuerbare“, erinnert der Fraktionschef (und nicht 100 Prozent). Dürrs saftige Forderung: „Der Gesetzentwurf muss zurück in die Montagehalle.“ Rumms!

Moderatorin Anne Will und FDP-Fraktionschef Christian Dürr

Moderatorin Anne Will und FDP-Fraktionschef Christian Dürr

Foto: NDR/Wolfgang Borrs

Versierteste Analyse

„Ich glaube einfach nicht, dass man jetzt innerhalb weniger Monate mit der Brechstange erzwingen kann, wo vor 15 Jahren eben die Weichen nicht richtig gestellt worden sind“, mischt sich die SZ-Journalistin etwas holprig, aber historisch korrekt in die Debatte.

„Diese Koalition wollte vieles anders machen“, erklärt Roßbach weiter. „Herr Habeck ist Grüner, und er führt dieses Wirtschaftsministerium so, wie er es führt. Wie Herr Lindner das Finanzministerium. Das zeigt wieder einmal einen sehr unterschiedlichen Blick auf die Rolle des Staates.“ Uff!

Henrike Roßbach ist Parlamentskorrespondentin der „Süddeutschen Zeitung“

Henrike Roßbach ist Parlamentskorrespondentin der „Süddeutschen Zeitung“

Foto: NDR/Wolfgang Borrs

Unfairstes Nachkarten

Weil ist aus Hannover zugeschaltet: „Es ist richtig, wenn das Bundeswirtschaftsministerium jetzt erst mal anfängt, einen Vorschlag auf den Tisch zu legen“, sucht er seinem neuen grünen Koalitionspartner zu helfen.

Gleichzeitig tritt er gegen seinen alten schwarzen Koalitionspartner nach: „Das Ganze hat einen jahrzehntelangen Vorlauf“, schimpft er. „Wenn ich an die fünf Jahre unter Peter Altmaier denke: Da ist so gut wie nichts geschehen.“

Dass seine Partei viele Jahre im Bund mitregierte, lässt er ebenso unerwähnt wie den früheren SPD-Wirtschaftsminister Gabriel.

Niedersachen-MP Stephan Weil war aus Hannover zugeschaltet

Niedersachsen-MP Stephan Weil war aus Hannover zugeschaltet

Foto: NDR/Wolfgang Borrs

Klarste Ansage

CDU-Politikerin Connemann im knallgrünen Hosenanzug hat gar nicht so viele Finger, wie sie zum Aufzählen der grünen Fehler braucht: „Es gibt kaum Wärmepumpen. Keine Installateure. Strom ist eine teure Mangelware geworden. Und wer soll das bezahlen?“

„Der Strom für die Wärmepumpe ist zurzeit Kohlestrom“, warnt die Mittelständlerin und schlägt Lösungen vor: „Noch stärker auf den Emissionshandel setzen. Geld zur Verfügung stellen für Sanierung und Neubau. Und wenn man es wirklich ernst meint, gehört dazu Atomstrom statt Kohlestrom!“

CDU-Politikerin Gitta Connemann

CDU-Politikerin Gitta Connemann

Foto: NDR/Wolfgang Borrs

Parteiischste Gegenrede

Nouripour lächelt spöttisch, schießt aber erst mal auf die FDP zurück, mit Streumunition: „Der Finanzminister hat gerade die Eckwerte des Haushalts zurückgezogen und ist damit in seine eigene Montagehalle zurückgegangen“ – wenn auch wegen üppiger Nachforderungen vor allem der Grünen …

Oha! „Ich hätte an Robert Habecks Stelle diesen Gesetzentwurf so nicht veröffentlicht, weil er offensichtlich unvollständig ist“, keilt Dürr mit eisigem Lächeln zurück. „Ich hätte erst die Montagehalle gemacht und dann die Öffentlichkeit!“

Widersprüchlichste Ampelsignale

Auch Weil kriegt sein Fett weg: „Als ich noch Fraktionsvorsitzender im Landtag war, habe ich immer gesagt: Wir müssen an der Nordseeküste LNG-Terminals einrichten“, erinnert der FDP-Politiker mit erhobenem Zeigefinger. „Damals war Herr Weil noch nicht unserer Auffassung.“

Der Ministerpräsident lächelt verkniffen und rächt sich mit einem kräftigen Tritt gegen das FDP-Lieblingsthema E-Fuels: „Technologiefreiheit in allen Ehren, aber man sollte jetzt nicht zu viel Hoffnung auf Optionen setzen, die schlichtweg unrealistisch sind.“

Die Talk-Gäste diskutierten über Verbrenner

Im Talk machten die Gäste keine Gefangenen

Foto: NDR/Wolfgang Borrs

Ungemütlichster Meinungsaustausch

„Wir haben eine Ampel mit drei unterschiedlichen Vertretern, die an keinem Punkt in dieser Frage einig sind“, rüffelt Connemann die verhakte Herrenrunde. „Was das Land braucht, ist eine Entscheidung, und zwar nicht auf Grundlage von Parteiausrichtung!“

Ihre Sorge: „Was wir hier erleben, ist, dass sich eine Liebesheirat in einem Rosenkrieg verändert.“ Peng!

„Da brauchen Sie nicht mit dem Kopf zu schütteln!“, mahnt sie den Grüne-Chef, doch der wackelt grimmig weiter: „Ich darf mit dem Kopf schütteln, wenn Sie erlauben!“, presst er sichtlich verärgert durch die gebleckten Zähne, „weil ich das falsch finde, was Sie erzählen!“

Peinlichster Blechschaden

Weil, auch Aufsichtsrat bei VW, will die Debatte über E-Fuels beerdigen: Für synthetischen Kraftstoff würden Autofahrer „etwa ein Drittel mehr zahlen als mit einem batteriebetriebenen Elektroauto“, orakelt er. „Das führt dazu, dass die Unternehmen eigentlich sehr klare Weichenstellungen vollzogen haben“, natürlich gegen E-Fuels.

Stimmt das? Die Talkmasterin hat Zweifel: „Da bin ich sofort bei Oliver Blume“, erwidert sie prompt und spielt Weil ein Zitat des VW-Chefs vor: Bei weltweit 1,3 Milliarden Verbrennern sei eine vollständige Elektromobilität überhaupt nicht zu erreichen, „daher sehen wir E-Fuels als sinnvolle Ergänzung.“

Wills knapper Kommentar: „Bumms, Herr Weil!“

Misslungenster Abwehrversuch

„Vielleicht sollten Sie Herrn Blume in Ihre nächste Sitzung einladen“, wehrt sich Weil pikiert. „Ich bin ja nicht der Sprecher von Herrn Blume!“

Nouripour eilt dem verkrampft lächelnden Ministerpräsidenten mit der Behauptung zu Hilfe, dass sich E-Fuels wirklich nicht lohnen würden. Dürr dagegen tritt lieber noch mal nach: „Herr Weil ist da wirklich auf dem Stand von gestern!“, höhnt der FDP-Mann. „Eieiei!“, ruft Will. Da ist Leben in der Bude!

Omid Nouripour und Anne Will

Omid Nouripour und Anne Will

Foto: NDR/Wolfgang Borrs

Dürr will dann doch versöhnlich wirken, doch dabei unterläuft ihm ein mustergültiges Beispiel unfreiwilliger Komik: „Ich will das gar nicht, ohne ihm nahezutreten!“, formuliert er, während Weil immer noch demonstrativ von seinem Monitor grient.

Unseriöseste Attacke

Schon mal in Schwung, will Dürr gleich auch noch die Konkurrenz abbügeln: „Die Große Koalition hat das Verbrennerverbot leider unterstützt“, lamentiert er. „Frau von der Leyen als CDU-Kommissionspräsidentin. Herr Söder hat das Verbrennerverbot schon vor vielen Jahren gefordert …“

Doch Connemann zieht ihm kühl den Stecker: „Aber immer mit der Öffnung für E-Fuel“, berichtigt sie ihn.

Ernüchterndste Prophezeiung

„Egal, was die EU entscheidet“, sagt Connemann dann voraus, „auch nach 2035 werden Hunderte Millionen auf der ganzen Welt einen Verbrenner fahren. Die Werke, lieber Stephan Weil, stehen dann eben in den USA, in Indien oder wo auch immer.“

Ihre Prognose: „Selbst, wenn wir das Ziel von 15 Millionen E-Autos bis 2030 erreichen, werden es immer noch 30 Millionen Verbrenner in Deutschland und 1,3 Milliarden auf der Welt sein, für die eine Lösung gefunden werden muss. Und das geht nur mit E-Fuels. Mit E-Fuels kann jeder Verbrenner klimaneutral betrieben werden.“ Punkt!

Gelungenste Gegenattacke

Dann rechnet die CDU-Politikerin schnell noch mit dem Grünen-Chef ab: „Wenn ich an Ladepunkte denke, denke ich an Ihren eigenen Wahlkreis“, hält sie ihm vor. „Im Moment gibt es eine Bürgerinitiative in Ihrem Wahlkreis, die sich gegen den Bau von Ladepunkten wehrt.“

Nouripour kann nicht widersprechen, nickt grimmig und schweigt stille. Zu peinlich, das Ganze!

Verblüffendste Antwort

Weil holt noch mal tief Luft: „Wenn mir Frau Connemann oder Herr Dürr ein Automobilunternehmen in Europa sagen können, das gerade in seinen Investitionsplanungen gezielt auf EU-Fuels setzt“, meldet er sich auf seinem Monitor, „dann würde ich sofort …“

„Porsche“, unterbricht ihn die CDU-Frau. „Aber nicht in Zentraleuropa“, schränkt der Ministerpräsident eilig ein.

Dürr kann ein anderes Beispiel nennen: „VW! VW lässt sukzessive seine Verbrenner jetzt für synthetische Kraftstoffe zu.“ Ächz!

Letztes Gefecht

„Herr Weil, haben Sie das nicht gewusst?“, staunt Will.

„Die Antwort könnte sein, dass Christian Dürr falsch liegt“, entgegnet der Ministerpräsident. „Volkswagen hat eine sehr klare Investitionsplanung. Man geht davon aus …“

„Ich rede von der Zulassung der Flotte!“, bremst der FDP-Mann. „Und ich spreche von der Investitionsentscheidung“, beharrt Weil. Und so haben am Schluss irgendwie alle Recht.

Zitat des Abends

„Klimaschutz geht nur mit den Menschen, nicht gegen sie.“ Gitta Connemann

Fazit

Drei Herren mit schwerem Hahnenkampf-Syndrom in parteisoldatischer Privatkriegsstimmung, drei Damen mit dem Fokus auf intelligente Lösungen unter Verzicht auf Selbstbeweihräucherung, Nachkarten und Rhetoriktricks: Das war eine Talkshow der Kategorie „Neue Männer braucht das Land“.

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