Wie erreicht Deutschland die anvisierte Treibhausgasneutralität? Auf europäischer Ebene lautet eine Antwort, Pkw mit Otto- und Dieselmotoren ab 2035 nicht länger neu zuzulassen. National soll nach dem Willen des Wirtschaftsministeriums unter Robert Habeck (Grüne) ab kommendem Jahr der Einbau neuer Gas- und Ölheizungen verboten werden. Innerhalb der Ampel-Koalition treffen die Pläne vor allem in den Reihen der FDP auf Widerstand.
„Ist das wirklich durchdacht?“, fragte auch Anne Will die Politiker Stephan Weil (SPD), Omid Nouripour (Grüne), Christian Dürr (FDP) und Gitta Connemann (CDU) sowie Henrike Roßbach vom Parlamentsbüro der „Süddeutschen Zeitung“ am Sonntagabend.
Er sei über die Debatte zu den Heizungen „zuweilen irritiert“, erklärte Nouripour. „Was Bestand ist, bleibt auch beständig.“ Beim Klimaschutz sei die Frage der Geschwindigkeit „neuralgisch“. Der Wechsel zur Wärmepumpe funktioniere allerdings nur mit einem Förderprogramm, räumte der Grünen-Politiker ein. „Klimaschutz geht nur mit den Menschen – nicht gegen sie“, hielt CDU-Politikerin Connemann den Plänen der Grünen entgegen.
Es fehle an Strom, Wärmepumpen und Installateuren. Für die erforderliche Wärmewende müsse die Regierung stärker auf den Emissionshandel setzen, Geld für Gebäudesanierungen bereitstellen und Atomstrom fördern.
Auch die FDP habe immer sehr für den Emissionshandel gekämpft und wolle diesen 2027 „komplett über den Gebäudesektor ausweiten“, unterstrich Christian Dürr. Er forderte neben dem Einbau von Wärmepumpen „technologieoffen“ zu bleiben.
So gebe es etwa Gasheizungen, die „H₂Ready“ seien, sich also zukünftig mit klimaneutralem Wasserstoff betreiben ließen. Mehrfach betonte der FDP-Fraktionsvorsitzende, Habecks Entwurf sei „offensichtlich unvollständig“ und müsse „zurück in die Montagehalle“. Es ergebe keinen Sinn, das Gesetz übers Knie zu brechen, den Umbau mit Steuermitteln zu subventionieren und damit „Privat- und den Bundeshaushalt“ zu überfordern.
In der Debatte um das Aus des Verbrennungsmotors positionierte sich Stephan Weil gegen E-Fuels. Synthetische Kraftstoffe seien zwar „sehr sympathisch“, benötigen aber „sehr viel erneuerbare Energie“ und erzeugten höhere Kosten.
Große Automobilunternehmen hätten deshalb bereits „sehr klare Weichenstellungen“ für batteriegetriebene Elektromobilität vollzogen. Dementsprechend werde der Vorstoß der FDP „nicht begleitet von Begeisterung aus der betroffenen Industrie“.
Eher löse die Diskussion „Verwirrung“ aus. Dem hielt Anne Will entgegen, dass Porsche-Manager Oliver Blume vergangenen August E-Fuels als „sinnvolle Ergänzung zur Elektromobilität“ gelobt hatte. Gitta Connemann schloss sich dieser Haltung an. Selbst wenn die Koalition ihre Ziele zur E-Mobilität bis 2030 erreichen sollten, werden allein in Deutschland noch immer 30 Millionen Verbrenner fahren, sagte sie. Für diesen Altbestand seien E-Fuels „zwingend“ nötig.
Omid Nouripour hob andere Einsatzbereiche für synthetische Kraftstoffe hervor. „Total sinnvoll“ seien sie in der Schifffahrt und im Flugverkehr. Im Straßenverkehr hingegen rentierten sie sich nicht, da sie für die gleiche Leistung eines Elektromotors den „achtfachen Strom“ zur Herstellung benötigten. Christian Dürr pochte dagegen auf die Erhaltung des Verbrennungsmotors. Beide zeigten sich am Sonntagabend allerdings zuversichtlich, eine Einigung zu finden.
Dieser demonstrative Schulterschluss vermochte es nicht, über die abweichenden Sichtweisen von FDP und Grünen hinwegzutäuschen. Henrike Roßbach machte klar: Nach der „akuten Krisenzeit der ersten Monate“ werden nun die „fundamentalen Unterschiede“ sichtbar, die vor allem die „Rolle des Staates“ betreffen.
Während es der FDP um Anreize und „wenig Staat“ gehe, so die Journalistin, glaubten SPD und Grüne an Umverteilung und „eine viel aktivere Rolle des Staates, was Ordnungspolitik“ angehe. Der Haushaltsstreit sei lediglich ein „Symptom“ dessen. Und es sei gut, dass er geführt werde: „Da müssen jetzt Weichen gestellt und entschieden werden: Wo geht’s hin?“
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