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Deutschland Insa-Umfrage

Vor allem Unions- und Grünen-Anhänger für Einschränkung des Streikrechts

Ressort Politik
„In Deutschland ist das Streikrecht vollkommen ungeregelt“

In vielen Regionen gibt es massive Warnstreiks im Nahverkehr. Vor allem betroffen sind Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. „Es gibt keine Vorgaben zu einer Ankündigungspflicht“, so Arbeitsrechtlerin Lena Rudkowski.

Quelle: WELT

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Eine Mehrheit der Bundesbürger will, dass Streiks im Bereich der kritischen Infrastruktur an härtere Bedingungen geknüpft oder komplett verboten werden sollen. Dabei wurde auch erfasst, wie Unterstützer der einzelnen Bundestagsparteien dazu stehen.

Eine Mehrheit der Bundesbürger spricht sich für eine Einschränkung des Streikrechts im Bereich kritischer Infrastrukturen aus, also beispielsweise bei Bahnen, im Flugverkehr oder bei der Energie- und Wasserversorgung. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage von Insa hervor, die das Marktforschungsinstitut im Auftrag des Wirtschaftsflügels der CDU erhoben hat und die WELT vorab vorliegt.

Danach votieren insgesamt und unabhängig von der politischen Präferenz 59 Prozent der Anfang März Befragten dafür, dass Streiks in den genannten Bereichen nur noch nach einem vorangegangenen Schlichtungsverfahren und einer Vorankündigung von mindestens vier Tagen durchgeführt werden dürfen – beziehungsweise durchgängig untersagt sein sollten.

Quelle: Infografik WELT

Vor allem die Befragten, die angegeben hatten, bei der nächsten Bundestagswahl für die Unionsparteien oder die Grünen stimmen zu wollen, unterstützen Einschränkungen des Streikrechts. 53 Prozent der Grünen-Anhänger halten es laut dieser Umfrage für richtig, eine Schlichtung und besagte Vorankündigung zur Bedingung für legale Arbeitskämpfe zu machen. Bei den der Union Nahestehenden sind es demnach 45 Prozent.

Quelle: Infografik WELT

Fast ein Drittel der Anhänger von CDU und CSU (30 Prozent) ist sogar für ein vollständiges Verbot von Arbeitsniederlegungen im Bereich der kritischen Infrastrukturen; bei potenziellen Wählern der Grünen sind es 13 Prozent. Besonders stark für das Streikrecht machen sich die Befragten, die der AfD und der Linken nahestehen: 33 beziehungsweise 30 Prozent lehnen jede Beschränkung von Arbeitskampfmaßnahmen ab. Insgesamt will ein knappes Viertel aller Umfrageteilnehmer das Streikrecht unberührt lassen.

„Niemand will Streiks verbieten. Aber...“

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der CDU hatte nach den Streiks an deutschen Flughäfen im Februar eine Debatte über Auflagen für Arbeitskämpfe unter anderem im Schienen-, Flug- oder Schiffsverkehr sowie bei Rettungsdiensten und der Energie- und Wasserversorgung angestoßen. Arbeitsniederlegungen sollte demnach in diesen Bereichen deutlich erschwert werden, um die Grundversorgung des Landes zu gewährleisten, hatte die MIT-Bundesvorsitzende Gitta Connemann gefordert.

Die bundesweiten massiven Streiks bei Bussen und Bahnen, mit denen die Gewerkschaft Ver.di und der DBB-Beamtenbund und Tarifunion gemeinsam mit den Klimaaktivisten von Fridays for Future in den vergangenen Tagen zeitweise den öffentlichen Personennahverkehr in mehreren Bundesländern lahmgelegt hatten, hat die Diskussion über das Streikrecht befeuert.

„Niemand will Streiks verbieten – in keinem Bereich. Aber bei Energieversorgung, Rettungsdiensten, Bahn oder Flughäfen muss Streik das letzte Mittel sein“, sagt MIT-Chefin Connemann nun. „Die Umfrage zeigt klar: Die Menschen in diesem Land wollen nicht in Mithaftung genommen werden. Bei kritischer Infrastruktur, wo ohne Vorwarnung Abertausende Unbeteiligte betroffen sind, muss für mehr Fairness gesorgt werden. Kritische Infrastrukturen brauchen einen besseren Schutz vor willkürlichen Arbeitsaussetzungen.“

Aber anders, als die Umfrage erwarten lässt, stößt die CDU mit ihren Forderungen bei den Grünen im Bundestag auf Ablehnung. „Wir Grünen sind besonders bahnaffin. Viele von uns sind betroffen, wenn die Züge nicht fahren. Wir leben aber in einem Land, in dem sich das Ausmaß an Streiks in Grenzen hält“, sagt der Bundestagsabgeordnete und Verkehrsexperte der Grünen-Fraktion, Matthias Gastel: „Einschränkungen beim Streikrecht sind nicht erforderlich.“

Wenig überraschend holt sich die MIT-Chefin auch bei Gewerkschaftsvertretern eine klare Absage. „Jetzt fordern genau jene in der CDU eine Beschneidung des Streikrechts im öffentlichen Verkehrssektor, die sich Anfang der 90er-Jahre für eine Privatisierung der Deutschen Bahn starkgemacht und damit für ein Ende der Beamtenlaufbahn im Schienenverkehr gesorgt hatten“, sagt der Vorsitzende der Lokführer-Gewerkschaft GDL, Claus Weselsky. „Hier folgt ein Fehler auf den nächsten. Aber wir werden nicht zulassen, dass von ein paar wild gewordenen Wirtschaftsvertretern der CDU ein Grundrecht wie das Streikrecht eingeschränkt wird.“

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Allerdings steht die Mittelstands- und Wirtschaftsunion mit ihrem Vorstoß nicht allein da. Nach den Februar-Streiks auf deutschen Flughäfen hatte auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände eine gesetzliche Regelung für Arbeitskämpfe gefordert – und damit für Empörung bei Gewerkschaftschefs wie der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi oder Ver.di-Boss Frank Werneke gesorgt. Sie sehen solche Vorstöße als Angriff auf ein durch das Grundgesetz geschütztes Recht.

Kein explizites Streikrecht in der Verfassung

Das Recht auf arbeitsrechtliche Streiks, also für Tarifverträge, ergibt sich zwar aus dem Grundgesetz; ein Streikrecht ist dort explizit allerdings nicht festgeschrieben. Zudem gilt für Arbeitskampfmaßnahmen das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Gerichte hatten in der Vergangenheit mehrfach Streiks als unzulässig untersagt, unter anderem die der Lokführer-Gewerkschaft.

In Deutschland fielen 2021 je 1000 Beschäftigte durchschnittlich 9,1 Arbeitstage durch Streiks aus. Damit gab es im vorvergangenen Jahr deutlich mehr Streiks als im Vorjahr. Neuere Zahlen liegen aktuell nicht vor. Bislang lag Deutschland bei den Streiktagen weit unter dem Durchschnitt der Industrieländer.

Beim Vorstoß der MIT liegt der Teufel im Detail. Denn zunächst müsste definiert werden, welche Bereiche zur kritischen Infrastruktur zählen und welche Sparten dort genau. Beim Schienenverkehr stellt sich zum Beispiel die Frage, ob nur der Bereich des Schienennetzes dazugehört oder auch sämtliche Bahnunternehmen, die den Verkehr dort organisieren und durchführen.

Schon jetzt gilt, dass vor Streiks Verhandlungen geführt werden müssen – andernfalls untersagen Gerichte in aller Regel einen Arbeitskampf. Schlichtungsverfahren sind jedoch nicht gesetzlich vorgeschrieben. Und es ist fraglich, ob die Tarifautonomie so aufgeweicht werden kann, um das vorzuschreiben.

Derzeit vereinbaren Arbeitgeber und Gewerkschaften Schlichtungsverfahren auf freiwilliger Basis per Vertrag. Die GDL zum Beispiel hat aktuell mit 61 Bahnunternehmen Tarifverträge abgeschlossen. Aber nur mit einem, der Südwestdeutschen Landesverkehrs-GmbH hat die Gewerkschaft eine Schlichtungsvereinbarung – nicht hingegen mit der Deutschen Bahn.

Die Umfrage von Insa wurde am 2. und 3. März durchgeführt. Befragt wurden 1003 erwachsene Bürger. Die Fehlertoleranz liegt laut Angaben des Instituts bei 3,1 Prozentpunkten.

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