Minijobs & Co.: Regierung verzichtet vorerst auf digitale Arbeitszeiterfassung

Nach Protesten vor allem aus dem Baugewerbe ist die geplante Pflicht für elf Branchen, die Arbeitszeit sofort elektronisch aufzuzeichnen, zunächst vom Tisch.

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(Bild: motorradcbr/Shutterstock.com)

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Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Regierungsentwurf für ein Gesetz "zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung" auf den Weg gebracht. Im Gegensatz zum Referentenentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) enthält die Initiative des Kabinetts nicht mehr die besonders umstrittenen Passagen, wonach die Arbeitszeit in elf Branchen künftig sofort digital hätte erfasst werden müssen.

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Stattdessen will die Bundesregierung nach der Streichaktion nur noch prüfen, ob eine solche elektronische Arbeitszeiterfassung technisch möglich und umsetzbar ist. Zuvor war vor allem das Baugewerbe gegen den ursprünglichen Plan Heils Sturm gelaufen. "Die Regelung ist für mobil eingesetzte Arbeiter auf Baustellen oder bei Arbeiten in privaten Haushalten in großen Teilen nicht praktikabel", hatte etwa die Bundesvereinigung Bauwirtschaft moniert. Auch der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen hatte vor einem kostspieligen zusätzlichen Aufbau von Bürokratie gewarnt.

Mit dem Regierungsentwurf, der noch den Bundestag und den Bundesrat passieren muss, sollen der Mindestlohn auf zwölf Euro zum 1. Oktober und parallel die Minijob-Obergrenze von 450 Euro auf 520 Euro Lohn im Monat angehoben werden. Der Arbeitsminister wollte die Novelle dafür nutzen, auch die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit deutlich schärfer zu regeln und auszuweiten.

Entsprechend der bisherigen Regelung im Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft sollten nach Heils Plan im Einklang mit dem Mindestlohngesetz (Milog) der Beginn der täglichen Arbeitszeit "jeweils unmittelbar bei Arbeitsaufnahme sowie Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch und manipulationssicher" aufgezeichnet und für mindestens zwei Jahre digital aufbewahrt werden. Dies hätte sich nicht nur auf geringfügig Beschäftigte bezogen: Von der Pflicht betroffen gewesen wären generell etwa das Bau-, Personenbeförderungs-, Speditions-, Gebäudereinigungs- und Sicherheitsgewerbe sowie die Gastwirtschaft.

Durch die Reform entstehe voraussichtlich ein "einmaliger Erfüllungsaufwand" von rund 465 Millionen Euro, hatte das Arbeitsressort vorgerechnet. Diesem stünden laufende Einsparpotenziale der Arbeitgeber von 290 Millionen Euro jährlich durch die mit dem Vorhaben verknüpfte Zeitersparnis gegenüber. Für die digitale Arbeitszeiterfassung sei "von einem einmaligen Betrag von im Durchschnitt 300 Euro pro Betrieb für die Einführung" auszugehen.

Innerhalb der Ampel-Koalition hatte sich die FDP gegen das Vorhaben Heils gestellt. Wenn Beschäftigte an verschiedenen Orten tätig seien wie Bauarbeiter oder Reinigungskräfte hätten sie für die elektronische Aufzeichnung zumindest ein Diensthandy gebraucht, gab der Arbeitsmarktexperte der Liberalen, Pascal Kober, gegenüber der Süddeutschen Zeitung zu bedenken. Zudem hätten die Betriebe neue Software kaufen müssen, was einer "erheblichen Belastung" gleichgekommen wäre.

Robert Feiger, Bundesvorsitzender der IG BAU, hatte dagegen etwa neben Sozialverbänden auf die Reform im Sinne Heils gedrängt: "Jetzt im Paket mit dem 12-Euro-Mindestlohn und den 520-Euro-Minijobs auch die digitale Arbeitszeiterfassung mit zu sichern, ist absolut richtig", hatte er am Montag noch gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe erklärt. "Die Gefahr, dass etliche Arbeitgeber es mit den tatsächlich geleisteten Stunden nicht so genau nehmen, wenn sie künftig 12 Euro pro Stunde als neuen Mindestlohn zahlen müssen, ist groß."

Auch derzeit müssen die unter das Milog fallenden Betriebe die täglichen Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten bereits erfassen – allerdings nicht zwingend elektronisch. Sie haben zudem sieben Tage Zeit, um ihre Dokumentationen zu erstellen. Heil wollte mit seiner Initiative auch Kontrollen durch den Zoll effektiver gestalten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) drängte zumindest darauf, dass die Arbeitgeber die Zusammenstellung nicht "nach", sondern spätestens "mit" Ablauf des Abrechnungszeitraums an die jeweiligen Beschäftigten übersenden müssen.

(bme)