Corona-Faust bei Maischberger: FDP-Frau und Roth von den Grünen feiern sich im TV

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Von: Josef Nyary

Ökoliberale Zitrus-Tage! Im „Deutschen Hof“ beraten die Kellner, welchen Koch sie an den Herd stellen und was auf die Speisekarte kommt. Sandra Maischberger guckt schon mal auf Rezepte und Zutaten.

Die Gäste

► Carsten Linnemann (44, CDU). Der Fraktionsvize ist eins der Gesichter der CDU Next Generation.

► Claudia Roth (66, Grüne). Die Bundestagsvizepräsidentin verpasste in Augsburg das Direktmandat.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (63, FDP). Die Liberale aus dem Parteivorstand konterte bei „Markus Lanz“ den SPD-General locker aus.

► Ralf Stegner (61, SPD). Der Ex-Landeschef vergeigte 2017 eine Ampel in Kiel, stattdessen machten Habeck und Kubicki Jamaika mit der CDU.

► Dagmar Rosenfeld (47). Die Chefredakteurin (WELT) urteilt: „Die Machtansprüche der Union sind entweder überheblich oder verzweifelt.“

► Tina Hassel (57). Die Studioleiterin (ARD) stellte sich nach einer Frage zu Annalena Baerbocks Kindern selbst in die Scham-Ecke.

► Hajo Schumacher (57). Der Kolumnist („Berliner Morgenpost“) nannte Laschet im Sommer einen „Alleskleber“. Wäre jetzt nicht schlecht!

Nur zwei Gäste unter 50, aber Aufbruchsstimmung hat ja nicht nur mit Geburtsurkunden zu tun. Gutes Benehmen übrigens auch nicht. Das Zoff-o-Meter ist scharf gestellt …

Gretchenfrage des Abends

Ladys First! Die Freidemokratin und die Grüne zeigen einander gleich mal freundlich die Zähne. „Die Grünen wollen sehr stark durch Regelungen, durch Verbote, durch Vorgaben, etwas verändern“, sagt Strack-Zimmermann zum Klimaschutz, „während wir auf die Lust an Veränderung, auf als Chance, setzen“.

Früher hätte da Roth empört dazwischengeorgelt, jetzt wiegt sie nur den Kopf. Auch optisch sendet die Vizepräsidentin neue Signale: Statt in grellen Schockklamotten kommt sie in Rentner-Pastell.

Entschiedenster Widerspruch

„Wir wollen Steuern erhöhen“, macht Roth klar, „im oberen Bereich, weil nicht zuletzt die, die in der Covid-Pandemie noch mal reicher geworden sind, sich auch an den Gemeinwohlausgaben beteiligen sollen!“

„Wir wollen keine Steuererhöhungen“, kontert Strack-Zimmermann, denn: „Denen, die jetzt Gummi geben, damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, zu sagen: Jetzt zahlt ihr auch noch mehr Steuern, das halten wir für einen ganz, ganz großen Fehler!“

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (63, FDP)

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (63, FDP)

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Interessanteste Übereinstimmung

Maischberger ist das alles zu lau, und sie peppt das Interview mit Ja-Nein-Fragen auf. Tempo 130? „160“, schlägt die Liberale forsch vor. Mindestlohn 12 Euro? Für Strack-Zimmermann ist das Thema ausgelutscht: „Sie sollten auch mal Fragen stellen, wie ‚Cannabis freigeben‘“, rät sie stattdessen.

Das findet auch die Talkmasterin. „Cannabis freigeben?“, fragt sie tatsächlich. „Ja!“, lachen die beiden gesetzten Damen und feiern sich mit der Corona-Faust. Halleluja.

Cleverste Antwort

„Gesetzestexte gendern?“, will die Talkmasterin als Nächstes wissen.

„Interessiert das irgendeine Socke?“, fragt die Liberale zurück.

„Ja!“, meint die Grüne. „Die CSU hat sich sehr dafür interessiert!“

Doch Strack-Zimmermann räumt das Thema cool ab: „Ich finde, dass wir Frauen mehr sind als ein Sternchen.“

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (66, Grüne)

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (66, Grüne)

Foto: Das Erste

Deutlichste Kritik

Über die Sondierungen sagt die FDP-Vorständlerin: „Wenn ich heute sehe, wie die Sozialdemokratie aufgetreten ist, und wie die CDU gerade nicht auftritt, mache ich mir ernsthaft Sorgen.“

Denn, so Strack-Zimmermann. „Wenn ich sehe, dass Herr Söder Herrn Laschet schon wieder vor sich hertreibt, dann finde ich das bemerkenswert.“

Interessanteste Perspektive

Ihr dezidiertes Urteil: „Ich habe Herrn Laschet in NRW schätzen gelernt, weil er ein sehr zuverlässiger Politiker ist. Herrn Söder habe ich einmal erlebt. Das ist jetzt nicht der Traum meiner schlaflosen Nächte.“

„Haben wir vor Weihnachten eine neue Regierung?“, erkundigt sich Maischberger. „Wir sollten die Kanzlerin fragen, ob sie die Zeit von Helmut Kohl einholen will“, antwortet die Liberale. „Wenn sie noch bis 17. Dezember Kanzlerin ist, hat sie ihn geknackt!“

Überraschendstes Bashing

„Das Bild, das die CDU gestern gegeben hat, ist so abstoßend!“, schimpft die ARD-Journalistin über die Wahl des Unionsfraktionsvorsitzenden.

Aber, so Hassel weiter: „Um Herrn Scholz nicht zu rosig dastehen zu lassen: Der kann sich selber verdribbeln. Er ist nicht gerade ein Menschenfänger. Wenn er am Tisch sitzt, wird’s nicht unbedingt warm. Er ist nicht dafür bekannt, dass er andere mit einbindet und andere glänzen lässt.“ Rumms!

Heiterstes Zwischenspiel

Die Grüne verpasst der Union einen Krokodilstrost: „Die letzte Wahl ist verloren, die nächste kann wieder gewonnen werden.“ Ja klar…

„Bei der CDU gibt es auch einen Personalstau“, kritisiert Journalist Schumacher. „Ein Carsten Linnemann wird seit – wie viel? - Jahren als potentieller Fraktionschef gehandelt. Der arme Kerl!“

Der „arme Kerl“ sitzt schon mit Ralf Stegner in der Interview-Ecke und grinst sich eins: Was man so alles über sich hören kann…

Unangenehmste Aufgabe

Als Linnemann endlich dran ist, kriegt er gleich die Frage vor den Latz, warum Laschet Scholz erst nach drei Tagen zum Wahlsieg gratuliert habe.

„Ich fand das auch unglücklich“, gibt der Fraktionsvize zu. „Aber am nächsten Morgen im Bundesvorstand gab es ziemlich klare Worte, dass wir die Wahl verloren haben, und dass die SPD – Herr Stegner, herzlichen Glückwunsch – die Wahl gewonnen hat.“

Ungewöhnlichste Erklärung

Die Talkmasterin ist damit nicht zufrieden: „Dem Wahlgewinner zu gratulieren, das macht man ja manchmal noch am Abend!“

Linnemann zuckt die Achseln. „Er hat das jetzt per Brief gemacht“, erläutert er.

Maischberger verzieht keine Miene. „Und das war die Berliner Post, die drei Tage braucht“, vermutet sie.

„Bei den Wahlzetteln hat es auch lange gedauert“, lächelt der Fraktionsvize fromm. Heidewitzka!

Schönster Zufall

Stegner hat den Wahlkreis Pinneberg (bei Hamburg) geholt. „Die Partei, die den gewinnt, stellt seit fast 70 Jahren den Kanzler“, staunt die Talkmasterin.

„Der Olaf Scholz hat mich mächtig nach oben gezogen“, freut sich Stegner. „Das ist der Wahlkreis 007, und heute kommt der neue James Bond in die Kinos, das passt alles wunderbar!“

Klarste Kante

Dann ist Schluss mit Lustig. „Ich habe keinen Bock auf Opposition“, bollert Linnemann los. „Das war ein Desaster! Das Ding geht richtig ins Mark! Wir stehen vor einer existentiellen Frage! Wir haben zig Beispiele, in Südeuropa, wo das daneben ging, wo sich die Volksparteien selbst marginalisiert haben!“

„Deswegen brauchen wir jetzt keine Ego-Trips, sondern einen kühlen Kopf, dass die Partei eine Zukunft hat!“, fügt der Fraktionsvize hinzu.

SPD-Mann Ralf Stegner will jetzt öfter lachen

SPD-Mann Ralf Stegner will jetzt öfter lachen

Foto: Das Erste

Informativster Seitenblick

„Dafür brauchen wir eine Wahlanalyse“, stellt Linnemann als nächstes fest. „Deswegen bin ich Herrn Laschet wirklich dankbar, dass er gesagt hat, wir schieben das nicht auf, bis die Regierung steht, sondern fangen jetzt damit an.“

„Ihr habt den Regierungsauftrag“, sagt er dann zu seinem Kollegen. „Guck, jetzt lacht der Stegner mal. Das sehe ich auch selten, dass der Stegner im Fernsehen mal lacht!“

„Das stimmt nicht“, widerspricht der SPD-Mann fröhlich, „das kommt jetzt öfter!“

Mutigstes Eigenlob

Der CDU-Mann schaltet in den Angriffsmodus: „Es geht jetzt um knallharte Inhalte“, kündigt er an. „Wir müssen nach vorne, und deshalb ist Geschlossenheit jetzt wichtig!“

„Der Söder hat den Laschet gepiesackt vom ersten bis zu letzten Tag“, stellt Stegner fest. „Wir dagegen haben Wahlkampf geführt mit einer Partei, wo wir keine Misstöne gehört haben. Sie sollten sich unsere Fraktion mal angucken! Die kommen aus allen Generationen…“

Frohlocket! Die Kamera schwenkt auf die Journalisten. Rosenfeld hält sich kichernd die Hand vors Gesicht, Schumacher geigt höhnisch feixend eine imaginäre Lobesfiedel.

Kolumnist Hajo Schumacher

Kolumnist Hajo Schumacher

Foto: Das Erste

Wichtigste Forderung

„Profil“, antwortet Linnemann auf Maischbergers Frage, was jetzt am nötigsten sei. „Wir müssen wieder klar sagen, wofür wir stehen. Wir müssen Köpfe haben! Wir müssen uns verjüngen! Uns breiter aufstellen! Nicht für ‚Weiter so‘, sondern für die Zukunft!“

Seine schonungslose Analyse: „Wir haben Stammwähler verloren. Die Merkel-Wähler sind jetzt auch weg. Das Problem liegt viel, viel tiefer als nur jetzt in diesem Wahlkampf.“

Hoffnungsvollste Durchhalteparole

„Wir haben noch eine Chance auf Jamaika“, erklärt der Fraktionsvize dann. „Unser Wahlprogramm ist zum Teil deckungsgleich mit der FDP.“

Ehrlichste Selbstkritik: „Wir haben in diesem Wahlkampf auch Themen vermieden, wie das der Migration, aus Angst, dass das vielleicht Wasser auf die Mühle von Protestparteien ist.“

Wackerstes Schlussplädoyer

„Wir müssen die Mitglieder mehr einbeziehen“, fordert der Fraktionsvize zum Finale. „Wir müssen wieder eine Mitglieder- und Programmpartei werden. Wir sollten bei der Wahl des nächsten Parteivorsitzenden einen Mitgliederentscheid durchführen.“

Und Laschet? „Die Chance auf Jamaika ist ja noch da“, hofft Linnemann. „Mit den Grünen und mit der FDP haben wir eine Mehrheit, und das gebietet nicht nur der Anstand, dass wir in diese Gespräche mit unserem Spitzenkandidaten gehen.“

Maischbergers letzte Frage: „Haben wir Weihnachten eine neue Regierung?“ Ja, glaubt Stegner. Linnemann aber klipp und klar: „Nein!“

Zitat des Abends

„Ich komme mir vor wie in einem Stuhlkreis!“

Sandra Maischberger über die milden Töne zwischen Claudia Roth und Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Fazit

Ein Damen- und ein Herrendoppel im perfekten Polit-Pingpong, klare Rollen, kantige Reden, kühne Prognosen, dazu kräftige Tritte und schmerzhafte Selbstgeißelung: Das war ein Talk der Kategorie „Glaube, Hiebe, Hoffnung“.

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