Haseloff rechnet mit Rundfunk-Beschluss ab: „Das ist ein Demokratieproblem“

Politiker fordern Reform von ARD und ZDF und den vielen anderen öffentlich-rechtlichen Sendern

Quelle: Reuters

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat der Verfassungsbeschwerde von ARD, ZDF und Deutschlandradio stattgegeben.

Das höchste Gericht beschloss: Die Rundfunkerhöhungs-Blockade durch Sachsen-Anhalt war verfassungswidrig. Folge: Der monatliche Beitrag für ARD, ZDF und Co. wird nun um 86 Cent erhöht.

Die Vorgeschichte: Im Dezember 2020 hatte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (67, CDU) verhindert, dass der Magdeburger Landtag über die umstrittene Gebührenerhöhung abstimmt – womit Sachsen-Anhalt sie als einziges Bundesland blockierte. Alle anderen Landtage hatten sie schon abgenickt.

Jetzt rechnet der inzwischen wiedergewählte Landeschef mit dem aktuellen BVG-Beschluss ab: „Das ist ein Demokratieproblem, was wir hier haben, das nicht aufgelöst ist. (…) Nämlich dass ein Parlament mit frei gewählten Abgeordneten eine andere Entscheidung fällt, als es vorgelegt bekam“.

Der Vorwurf im Klartext: Die Landtage dürfen offenbar nur Ja zur Gebührenerhöhung sagen – sonst handeln sie verfassungswidrig!

Parlamentarier seien einzig ihrem „Gewissen verpflichtet“, ruft Haseloff in Erinnerung – aber was, wenn das dem Beschluss der KEF, der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, die die Erhöhung will, widerspricht?

Zwar respektiere man den Beschluss, so Haseloff, aber: „Ein wesentlicher Punkt wurde leider nicht fortentwickelt.“ Nämlich: dass das Verfahren sich durch den Beschluss nicht geändert hat. Ähnliche Situationen wie im Dezember 2020 im Landtag von Sachsen-Anhalt könnten so immer wieder auftreten.

Politiker fordern Reformen der Öffentlich-Rechtlichen

Der Beschluss sorgte bereits kurz nach der Verkündung für deutliche Kritik. Warum die Landesparlamente überhaupt gefragt würden, wenn ohnehin nur ein Ja akzeptiert werde, kommentierte etwa FDP-Politiker Markus Faber (37).

► Der CDU-Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Sven Schulze (42), bekräftigt die Kritik. Zu BILD sagte er am Donnerstag: „Auch wenn ich mir selbstverständlich ein anderes Urteil gewünscht hätte, bleibt zumindest ein Erfolg. Es gibt durch die Blockade aus Sachsen-Anhalt eine Debatte über nötige Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Diese Debatte muss ernsthaft fortgeführt werden.“

Auch die Hessen-Chefin der FDP, Bettina Stark-Watzinger (53), macht sich für Reformen stark: „Das Urteil ist kein Freibrief. Es ist eine Mahnung, dass der ÖRR (der öffentlich-rechtliche Rundfunk) seinem Informationsauftrag nachkommt. Wir fordern einen modernen und schlanken öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das heißt: weniger Unterhaltung und mehr Nachrichten, Kultur und politische Debatte.“

Rundfunkgebühren-Zoff ist wichtigBrauchen ARD und ZDF wirklich mehr als 8 Milliarden?

Quelle: BILD

CDU-Finanzexperte Carsten Linnemann (43) fordert in BILD: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich einer Reform unterziehen. Dies wurde bereits 2007 von einer Enquetekommission des Deutschen Bundestags gefordert. Passiert ist seitdem jedoch nichts. (…) Alle – Staat, Unternehmen, Bürger – müssen sich dauernd auf neue Gegebenheiten einstellen und bereit für Reformen sein. Davon kann der ÖRR nicht ausgenommen werden.“

FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae (53) zu BILD: „Gerade angesichts von Fake News und Desinformationskampagnen hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Wert, darf aber auch nicht zu viel kosten. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sollte deshalb in eine Reformdebatte münden, die die Öffentlich-Rechtlichen modern und schlank macht.“

CDU-Fraktionschef in Thüringen, Mario Voigt (44), begrüßte die Entscheidung, forderte aber auch Reformen: „Die politische Diskussion über den Auftrag und die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird weitergehen. Wir haben den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt. Entsprechend bedarf es des Reformwillens aller Beteiligten, um Akzeptanz und Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu untermauern.“

Länderchefs und Intendanten begrüßen die Entscheidung

Zustimmung für die Entscheidung äußerte auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (60, SPD). Ihrer Ansicht nach stärke die Entscheidung die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Rundfunkbeitrag diene der Rundfunkfreiheit und damit der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung, erklärte Dreyer. Das habe das Bundesverfassungsgericht nochmals in aller Deutlichkeit festgestellt.

► Auch das Saarland und Bremen begrüßten den Beschluss: „Der Saarländische Rundfunk und Radio Bremen wurden durch das heutige Urteil in ihrer Lebens- und Funktionsfähigkeit gesichert“, teilte der Chef der Staatskanzlei des Saarlandes, Henrik Eitel, mit.

Tom Buhrow, Vorsitzender der ARD und Intendant des WDR, freute sich offensichtlich über die Entscheidung der Karlsruher Richter. „Es ist eine Entscheidung, die die Rundfunk-Freiheit stärkt“, sagt Buhrow. Auch mehrere Politiker der Grünen und Linken lobten das Urteil ebenfalls.

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Sein Kollege, ZDF-Intendant Thomas Bellut, erklärte, der Beschluss bestätige und stärke die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das ZDF könne nun für die kommenden Jahre verlässlich planen. Der Sender werde gemeinsam mit der ARD, dem Deutschlandradio und dem Beitragsservice die Umsetzung der Entscheidung vorbereiten.

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